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josfritz Buchhandlung Freiburg
josfritz Buchhandlung Freiburg

Karen Köhler

cover

Hanser Verlag , gebunden , 464 Seiten

 24.- €

 9783-3446-26171-6

 19.08.2019

Miroloi

Ein Miroloi – ein Totenlied – bekommt nur, wer einen Namen hat. Namen bekommen nur die mit Herkunft, mit Mutter und Vater. Die, die dazugehören. Das Mädchen bekommt keinen Namen. Sie wächst als Waisenkind in einer Gemeinschaft auf, in der das Dazugehören alles ist. Ohne Namen und Stand in der Gesellschaft ist sie zwar dort, lebt den Alltag und aufgezogen vom Betvater auch den Glauben der Gemeinschaft, die zurückgezogen auf einer Insel lebt. Trotzdem gehört sie nicht dazu. Vielleicht kann sie gerade deshalb darauf kommen, dass die Dinge auch anders sein könnten als sie sind.

Der Status quo auf der Insel: Frauen dürfen nicht lesen lernen, der Ältestenrat bewahrt die Gesetze, Männer dürfen nicht singen, der Betvater läutet die Stunden und das Jahr orientiert sich an Feiertagen rund um den Erntekalender.
Das Buch ist in Strophen sehr dicht erzählt und lässt einen nicht zur Ruhe kommen. Gelegentlich gibt es Hinweise auf die Zeit, in der die Geschichte spielt, wenn der Händler beispielsweise Feuerzeuge oder Tampons mit auf die Insel bringt (die Feuerzeuge dürfen bleiben, die Tampons nicht). Ansonsten sind das Leben der Gemeinschaft und auch das Buch mit seiner Sprache aus der Zeit gerückt.

Das Tempo der Erzählung steigt, die Gewalt verlagert sich von der Vergangenheit in die Gegenwart und wird tödlich. Eine Hoffnung bietet allein das Meer. Doch auch mit wenig Hoffnung und einer scheinbar unverbesserlichen Ordnung ist das Buch lesenswert: als Warnung und als wunderbar poetischer Roman.

Jana Kling