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josfritz Buchhandlung Freiburg
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Leonardo Padura

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Aus dem Spanischen von Hans-Joachim Hartstein.
Unionsverlag , Taschenbuch , 448 Seiten

 24.- €

 978-3-293-00542-6

 2019

Die Durchlässigkeit der Zeit

Bald wird er sechzig Jahre alt, ab und an erscheint ihm nach Trinkgelagen mit seinen alten Freunden Carlos und dem Hasenzahn sogar der Teufel, das Geschäft mit antiquierten Büchern läuft schlecht, und auch sonst war das Leben in Havanna früher einmal besser. Der Ex-Polizist Mario Conde – Krimilesern dürfte der Protagonist aus Leonardo Paduras Bestsellern kein Unbekannter sein – hadert mit dem Leben und Überleben, als ihm ein alter Bekannter aus Schulzeiten einen lukrativen Auftrag als Privatdetektiv verschafft: Es ist Bobby, schwul und steinreich. Sein Liebhaber habe ihn ausgenommen, jammert er. Juwelen, Bilder und nicht zuletzt eine Schwarze Madonna habe er mitgehen lassen, eine Heiligenfigur, die aus den katalanischen Pyrenäen stammt und in den Wirren des spanischen Bürgerkriegs über den Atlantik gelangt ist. Sie habe magische Kräfte, behauptet Bobby, was den bekennenden Agnostiker Conde zusätzlich beunruhigt.
Er macht sich also auf die Suche, taucht ein in die Welt von dubiosen Kunsthändlern, geht in die Elendsviertel der kubanischen Hauptstadt. Condes Reise durch Havanna führt an Orte, an denen die zerbröckelnden Fassaden einst prächtiger Kolonialbauten nicht mal mehr einen morbiden Charme versprühen, sondern nur noch deprimierend sind. Die Reise führt zu menschlichen Abgründen, zu Menschen, die resigniert haben, auf gepackten Koffern sitzen oder sich vom allzeit dröhnenden lasziven Reguetón und reichlich Rum milde stimmen lassen. Kuba, das stellt die kubanisch-chinesische Kunsthändlerin Karla Choy klar, hat den sozialistischen Traum schon lange ausgeträumt: „Alle, ob Hure oder Hurensohn, sind schließlich und endlich Opfer. Jeder nimmt, was er kriegen kann, erst recht, wenn sich der Regen in Sintflut verwandelt. Man muss schließlich leben, und da ist jedes Mittel recht", sagt sie, als sie Conde empfängt.
Mit „Die Durchlässigkeit der Zeit" macht Leonardo Padura, einer der bedeutendsten kubanischen Schriftsteller der Gegenwart und unter anderem 2015 mit dem renommierten Prinzessin-von-Asturien-Preis für Literatur geadelt, seinem Heimatland erneut eine kritische Liebenserklärung. Er ist ein Unbequemer, der den Finger in die Wunde legt. Und er ist ein unterhaltsamer Erzähler. „Wer Kuba verstehen will, muss Padura lesen", schrieb einmal eine Kollegin der Süddeutschen Zeitung. Womit sie recht hat.

Dominik Bloedner ist Politikredakteur bei der Badischen Zeitung.