Chris Cleave
Little Bee
Little Bee ist ein sechzehnjähriges Flüchtlingsmädchen aus Nigeria, die aus ihrer eigenen, von der afrikanischen Kultur geprägten Perspektive erzählt, wie sie aus der trostlosen britischen Abschiebehaft entlassen wird. Beim Lesen denkt man: "diese jungen Frauen sehe ich jeden Tag und ich weiß doch gar nicht, was in ihnen vorgeht und wie verlassen und entfremdet sie sich fühlen müssen". Ganz erleichtert liest man dann, wie sie von einem gutsituierten, sich als sehr aufgeschlossen empfindenden Ehepaar in Südengland aufgenommen wird. Angst vor Klischeealarm "aha, typisches kinderloses Paar, in den Medien tätig, "total tolerant", nehmen sie sicher auf und helfen ihr, sich zurechtzufinden". Aber nein, kein billiges Happy End. Sarah und Andrew hat Little Bee nämlich unter traumatisierenden Umständen in Nigeria kennen gelernt und beruft sich nun auf eine ganz spezielle, unauflösbare Verbindung zwischen ihnen. Aber auch das verläuft völlig anders als vermutet: Durch ein tragisches, traumatisierendes Ereignis ist es plötzlich Sarah, die auf Little Bee angewiesen ist. Speziell die Erzählweise, die aus den zwei unterschiedliche Perspektive berichtet und folgerichtig auch sprachlich unterschiedlich ist, "saugt" einen richtig in das Buch hinein und zwingt einen förmlich, immer wieder zu überlegen, vor allem aber zu spüren, warum welche Person welche Sicht hat.
Ganz andere Lebensumstände kennenlernen, spannende, anrührende, verzweifelt machende Lebensgeschichten nacherleben, und damit versuchen, die unterschiedlichsten Menschen besser zu verstehen, ihnen mit neuer Hochachtung zu begegnen und meine Sicht aufs Leben auf den Prüfstand zu stellen– das sind für mich tolle Bücher. Und da ich nach wie vor denke, dass die große Bandbreite weiblicher Biographien und Erlebnisse mehr Raum in der Öffentlichkeit einnehmen sollte, lese ich am liebsten Bücher über Frauen.
Auch meiner älteren Tochter habe ich immer wieder vermittelt, dass Frauen alles erreichen können, dass sie selbstverständlich genauso viel wert sind wie Männer (ich selbst habe eine ganz andere Botschaft vermittelt bekommen), bis klar wurde, dass sie als junger Mann leben will: Ich bin stolze Mama eines fantastischen Trans-Sohnes.
Ulrike, Mitwirkende beim Buch „Sichtbar - LSBTIAQ* - Menschen im Porträt" von FLUSS e.V.
Aus dem Englischen von Susanne Goga-Klinkenberg.
dtv , Taschenbuch , 320 Seiten
9.95 €
978-3-423-21406-3
01.10.2012
Little Bee
Little Bee ist ein sechzehnjähriges Flüchtlingsmädchen aus Nigeria, die aus ihrer eigenen, von der afrikanischen Kultur geprägten Perspektive erzählt, wie sie aus der trostlosen britischen Abschiebehaft entlassen wird. Beim Lesen denkt man: "diese jungen Frauen sehe ich jeden Tag und ich weiß doch gar nicht, was in ihnen vorgeht und wie verlassen und entfremdet sie sich fühlen müssen". Ganz erleichtert liest man dann, wie sie von einem gutsituierten, sich als sehr aufgeschlossen empfindenden Ehepaar in Südengland aufgenommen wird. Angst vor Klischeealarm "aha, typisches kinderloses Paar, in den Medien tätig, "total tolerant", nehmen sie sicher auf und helfen ihr, sich zurechtzufinden". Aber nein, kein billiges Happy End. Sarah und Andrew hat Little Bee nämlich unter traumatisierenden Umständen in Nigeria kennen gelernt und beruft sich nun auf eine ganz spezielle, unauflösbare Verbindung zwischen ihnen. Aber auch das verläuft völlig anders als vermutet: Durch ein tragisches, traumatisierendes Ereignis ist es plötzlich Sarah, die auf Little Bee angewiesen ist. Speziell die Erzählweise, die aus den zwei unterschiedliche Perspektive berichtet und folgerichtig auch sprachlich unterschiedlich ist, "saugt" einen richtig in das Buch hinein und zwingt einen förmlich, immer wieder zu überlegen, vor allem aber zu spüren, warum welche Person welche Sicht hat.
Ganz andere Lebensumstände kennenlernen, spannende, anrührende, verzweifelt machende Lebensgeschichten nacherleben, und damit versuchen, die unterschiedlichsten Menschen besser zu verstehen, ihnen mit neuer Hochachtung zu begegnen und meine Sicht aufs Leben auf den Prüfstand zu stellen– das sind für mich tolle Bücher. Und da ich nach wie vor denke, dass die große Bandbreite weiblicher Biographien und Erlebnisse mehr Raum in der Öffentlichkeit einnehmen sollte, lese ich am liebsten Bücher über Frauen.
Auch meiner älteren Tochter habe ich immer wieder vermittelt, dass Frauen alles erreichen können, dass sie selbstverständlich genauso viel wert sind wie Männer (ich selbst habe eine ganz andere Botschaft vermittelt bekommen), bis klar wurde, dass sie als junger Mann leben will: Ich bin stolze Mama eines fantastischen Trans-Sohnes.
Ulrike, Mitwirkende beim Buch „Sichtbar - LSBTIAQ* - Menschen im Porträt" von FLUSS e.V.