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josfritz Buchhandlung Freiburg
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Ae-Ran Kim

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Aus dem Koreanischen von Sebastian Bring.
Cass Verlag , gebunden , 320 Seiten

 24.- €

 978-3-944751-12-2

 10.03.2017

Mein pochendes Leben

Wenn man an Sommer- und Ferienlektüre denkt, will man sich meist nicht mit den schweren Dingen des Lebens beschäftigen. Zu dieser Zeit des Jahres sollte es doch die leichte Krimilektüre sein oder vielleicht ein Coming-of-Age Roman. Etwas in der Art wird einem bei Mein pochendes Leben von Ae-Ran Kim auch geboten, allerdings unter völlig anderen Voraussetzungen. Es ist eine leichte und schwere Lektüre zugleich.

Hand hoch: Wer kennt die Krankheit Progerie? Ohne zu googeln, bitte! Oder fragen wir anders herum: Wer kennt den Film: Der seltsame Fall des Benjamin Button? In diesem Film spielt Brad Pitt einen Menschen, der als alter Mann geboren wird und »rückwärts« altert. So ähnlich muss man sich Progerie vorstellen, nur dass dies eine Krankheit ist, die einen Menschen schneller altern lässt als normal, so dass mensch mit 16 Jahren schon in einem greisen Alter und kurz vor dem Sterben ist.

Was geht in einem Jugendlichen vor, der dem Tod ins Auge blicken muss? Was beschäftigt ihn, hat er überhaupt Wünsche, wenn er keine Zukunft mehr hat? In dieser mehr als traurigen Geschichte geht es um den Jungen Arum Han und die sehr seltene Krankheit Progerie, die ein bis zu zehnmal schnelleres Altern für den betreffenden Menschen bedeutet. Dabei steht die Krankheit in dieser Geschichte gar nicht so stark im Vordergrund, sie ist eher der Wegbegleiter und Aufhänger, um deutlich zu machen, was sie für einen Menschen bedeutet. Das kann beim Lesen niemanden kalt lassen.

Wir lernen den Jungen kennen, da ist er in einem weit fortgeschrittenen Stadium der Progerie und hat schon länger überlebt, als es ihm die Ärzte zugetraut haben. Seine Eltern kümmern sich aufopferungsvoll um ihren Sohn, der aussieht wie ein Greis und der Gedanken hat, die sie traurig stimmen, da er sich seiner Krankheit vollauf bewusst ist. In Rückblenden erfahren wir, dass am Anfang mit Arum alles in Ordnung zu sein schien. Mit zwei Jahren brach die Krankheit dann aus und eine elende Tortur begann, eine endlose Reise zu den Ärzten, bis endlich festgestellt wurde, was Arum hat und dass er dem sicheren frühen Tod geweiht ist. Seitdem versuchte die Familie, das Beste aus dieser Situation zu machen, und boten Arum den Umständen entsprechend eine relativ unbeschwerte Kindheit.

Das alles wird uns von der Autorin Ae-Ran Kim in sehr klugen Sätzen und Gedanken nähergebracht. Da werden Situationen heraufbeschworen, die im Zusammenhang mit der Krankheit zu etwas Besonderem werden. Da wirkt nichts gekünstelt oder konstruiert. Eher fügt sich alles organisch aneinander. Und mit jeder Seite, mit jedem Satz drückt die Klammer um das eigene Herz immer mehr zu, bis man es kaum noch aushält und den Tränen nahe ist.

Dieses Buch kann nicht nur empfohlen werden, sondern es wird mit voller Inbrunst ans Herz geworfen. Lest es, lasst euch mitnehmen auf eine traurige und trotzdem lebensbejahende Reise! Lasst euch verzaubern von einem jungen Alten, der im Herzen zwar jung ist, dessen Körper ihm aber ein langes Leben versagt, einem Jungen, der trotz allem nicht aufgibt, weitermacht, nicht aufhört zu träumen.

Marc Richter, We read Indie