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josfritz Buchhandlung Freiburg
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Jana Volkman

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Verbrecher Verlag , gebunden , 200 Seiten

 20.- €

 978-3-95732-446-7

 31.08.2020

Auwald

Der Traum vom Verschwinden, vom Reisen mit vagem Ziel; der Wunsch, unterwegs ganz zu sich zu kommen – das ist ein unerschöpfliches Thema der Literatur. Und darum geht es auch in Jana Volkmanns Roman Auwald.

Judith ist Tischlerin und lebt in Wien, ihr Beruf, das sinnliche Arbeiten mit Holz, erfüllt sie ganz und gar, die erkaltete Beziehung zu ihrer Freundin Lin dagegen nicht mehr. Und so macht sich Judith eines Tages auf den Weg: Sie lässt sich durch den Zufall leiten und reist mit dem Schiff die Donau entlang nach Bratislava. Ziellos streift sie durch die Stadt, die Wien ähnlich und doch ganz anders ist.

Dann wird Judith bestohlen und sieht am Fähranleger die Taschendiebin mit ihrer Rückfahrkarte nach Wien aufbrechen. Wehmütig projiziert sie ihre eigene Sehnsucht nach einem Neuanfang auf die Diebin. Nun geschieht etwas: Das Schiff verschwindet spurlos. Ist es gesunken? Oder auf rätselhafte Weise verschollen? Man weiß es nicht. Suchaktionen starten, denen Judith, die auf der Vermisstenliste der Fähre steht, zu entfliehen sucht. Die Szenerie kippt leise ins Surreal-Dystopische, während Judith versucht, sich entlang der Donau zu Fuß nach Wien durchzuschlagen. Sie streift durch Wiesen und Wälder, macht unerwartete Begegnungen und erfährt das allmähliche Verschwimmen und Verschwinden ihrer Identität:

„Ich nehme mir keine Andenken mit. Ich möchte keine Erinnerungen mehr. Ich bin ein Mensch ohne Vergangenheit, das bedeutet, dass ich auch keine Zukunft habe. [...] Mir reicht eine handelsübliche Serie von Momentaufnahmen, von denen jede einzelne nicht mehr und nicht weniger zeigt als die kadrierte Gegenwart.”

Jana Volkmanns zweiter Roman ist ein stiller, nachdenklicher, mal märchenhaft, mal sanft surreal anmutender Text über das Sich-Verlieren in Zwischenräumen, das Zerfasern und Auflösen von Bindungen und den – vielleicht utopischen – Möglichkeiten, die sich daraus ergeben. Was wirklich geschieht und was vielleicht nur Einbildung einer unzuverlässigen Erzählerin ist, bleibt unklar. Doch gerade dieser Schwebezustand, der sich von der Figur auf die Lesenden überträgt, macht einen beträchtlichen Teil des Reizes dieses wunderbaren kleinen Romans aus, der lange im Gedächtnis bleibt.

Julian Zündorf, We read Indie – Literatur aus unabhängigen Verlagen