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josfritz Buchhandlung Freiburg
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Brigitte Reimann

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Aufbau Verlag , Taschenbuch , 428 Seiten

 18.- €

 978-3-7466-1536-3

 01.08.2000

Ich bedaure nichts

Tagebücher 1955-1963

Noch immer zählt Brigitte Reimann zu den deutschen Schriftstellerinnen, deren Rang unterschätzt wird. Da-bei gehört ihr unvollendet gebliebener Roman Franziska Linkerhand unbestreitbar zu den bedeutendsten Romanen des 20. Jahrhunderts. Ein Experimentierfeld des Schreibens, der Vorbereitung auf den Roman, bilden ihre beiden Tagebücher. Das erste Tagebuch umfasst die Jahre 1955 - 1963. Reimann lebt zunächst noch mit ihrem Mann Günter D. in ihrem Heimatort Burg bei Magdeburg. Nach der Scheidung und ihrer Heirat mit dem Schriftsteller Siegfried Pitschmann, zieht das Paar 1960 nach Hoyerswerda.

Einmal mit der Lektüre dieses ersten Tagebuchs begonnen, stellt sich sehr schnell eine Art Suchtverhalten ein, denn dieser Text ist unglaublich spannend. Reimann erzählt von der Freude am „Schaffen", vom Wunsch, eine Schriftstellerin zu werden, die gelesen wird. Sie kämpft wie viele andere Autorinnen und Au-toren in der DDR mit der Zensur, will sich nicht beugen, betont immer wieder, die Literatur habe nicht der »Propagierung und Lobsingung einer bestehenden Ordnung« zu dienen. Reimann reagiert wach auf politische und gesellschaftliche Verwerfungen, analysiert messerscharf und nimmt kein Blatt vor den Mund. Von Jugend auf ist sie eine manische Leserin. Vor allem haben es ihr die deutschen, französischen und engli-schen Realisten angetan. Diese Bücher helfen ihr dabei, ihren eigenen Stil zu entwickeln, sich zu vervollkomm-nen in der Schilderung von Menschen in ihrer Einsam-keit und in ihren Beziehungen. Reimann ist eine scharfzüngige Menschenbeobachterin. Alles, was sie wahrnimmt, all ihre Unternehmungen, auch ihre vielen Liebesgeschichten, dienen der einen großen Aufgabe: wahrhaftige Literatur zu schreiben.

Im Juli 1962 schreibt sie, sie könne keinen einzigen Tag ohne Arbeit existieren. Zu dieser Zeit beginnen sich die Gestalten zu formen, die schließlich ihren Roman Franziska Linkerhand bevölkern werden. Allzu viele Jahre bleiben ihr nicht, denn Brigitte Reimann stirbt 1973 mit vierzig Jahren an Krebs. Im August 1963 schreibt sie über Hoyerswerda: »Offiziell gilt Hoy als das Muster einer schönen sozialistischen Stadt. Es ist eine triste Bienenwabe.«
Dies Tagebuch ist ein wunderbarer Einstieg in das Werk Brigitte Reimanns.

Ingeborg Gleichauf