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josfritz Buchhandlung Freiburg
josfritz Buchhandlung Freiburg

Ingo Schulze

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S. Fischer Verlag , gebunden , 320 Seiten

 21.- €

 978-3-10-390001-9

 03.2020

Die rechtschaffenen Mörder

Rorbert Paulini eröffnete bereits zu DDR Zeiten in Dresden ein hoch geschätztes Antiquariat, welches sich immer mehr zu einem Treffpunkt Literaturinteressierter und Literaten entwickelte. Abende lang wurde über Literatur und Philosophie der unterschiedlichsten Epochen diskutiert – nicht einmal die Stasi nahm Anstoß an dem intellektuellen Treiben. Die gesellschaftlichen Auf- und Umbrüche in der DDR nahm Paulini nicht wahr, und erst das Jahr 1989 wurde eine Zäsur, nach der alle bisherigen Gewohnheiten nicht mehr galten. Die Hoffnung des Antiquars, dass das Neue vorüber ginge und das bewährte Alte wieder käme, schwand von Tag zu Tag.
Zuerst traf ihn der Konkurs des Antiquariats, dann der Verlust der Räume, und das Jahrhunderthochwasser in Dresden dezimierte auch noch seine verbliebenen Buchbestände. Verbittert sah man ihn in der Nähe von Pegida-Aufmärschen, und Polizisten befragten ihn zu fremdenfeindlichen Ausschreitungen, an denen sein Sohn beteiligt war. Unklar bleibt, ob seine alte Freundin Lisa Samten und er bei einem Ausflug ins Gebirge zusammen abgestürzt sind oder er sie, wie ein Mörder, in den Tod gezogen hat.
Auch Ingo Schultze kannte seit den 80er Jahren Lisa Samten. Auch er verkehrte in Paulinis Antiquariat. Inzwischen lebt er als Autor in Berlin und die Westerfahrung hat ihn seiner Herkunft entfremdet – zumindest nach Lisas Einschätzung. Sie wiederum kann sich nicht zwischen Berlin und Dresden entscheiden. Ingo Schultze fängt an, ein Buch über Paulini zu schreiben. Er will verstehen, warum Lisa nicht zu ihm nach Berlin kommt. Je heftiger sein Wunsch nach einem Zusammensein mit Lisa wird, umso mehr zieht sie sich zu Paulini nach Dresden zurück. Als er sein Schreiben beendet hat, trifft er ein letztes Mal Paulini und merkt im Laufe des Gesprächs, dass er »das Manuskript in den Sand gesetzt hat, aus Liebe zu Lisa, aus der Hoffnung auf eine Kontinuität seines Lebens«.
Ingo Schulze gelingt mit Die rechtschaffenen Mörder ein toller Roman darüber, wie man sich auch in der DDR gut einrichten konnte, welche Brüche die Wiedervereinigung verursachte und wie Personen scheitern können, wenn alte Gewohnheiten nicht mehr funktionieren – Ein Roman über das Anderssein mancher Ostdeutscher, wie es nur ein gebürtige Ostdeutsche in dieser Dichte und gleichzeitig so verstörend schildern kann. Die rechtschaffenen Mörder ist das literarische Pendant zu Steffen Maus Sachbuch Lütten Klein.