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josfritz Buchhandlung Freiburg
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Bov Bjerg

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Claassen Verlag , gebunden , 272 Seiten

 22.- €

 978-3-546-10003-8

 28.01.2020

Serpentinen

Ein Vater verbringt mit seinem Sohn ein paar Tage auf der Schwäbischen Alb, wo der Vater aufgewachsen ist. Immer wieder fahren sie die Serpentinen des Albaufstiegs rauf und runter, und der achtjährige Sohn mag das das schaurig-schöne Bauchgefühl, wenn sich das Auto in die Kurven legt. Auf die immer wiederkehrende Frage des Sohns: "Um was geht es?" antwortet der Vater nicht, weil er dem Sohn die schrecklichen Erinnerungen an seine eigene Kindheit nicht aufbürden will. Es liegt ein Schatten auf der Familie des Ich-Erzählers: »Urgroßvater, Großvater, Vater. Ertränkt, erschossen, erhängt. Zu Wasser, zu Lande und in der Luft.« Diese Reihe von Selbsttötungen lastet schwer auf dem Mann, der den Kindheitsort längst verlassen hat und in Berlin als Soziologe arbeitet. Aber er konnte seine trostlose Vergangenheit nicht vollständig hinter sich lassen, leidet an Depressionen und hat eine Therapie abgebrochen. Auf dieser Reise sucht er Erlösung, stattdessen rutscht er immer tiefer in eine Krise und beschäftigt sich mit dem Gedanken, sich das Leben zu nehmen.

Über die eigene Familiengeschichte hinaus thematisiert der Autor die autoritären und gewalttätigen Strukturen in den 60er und 70er Jahren und den immer noch präsenten Nazi–Geist in Baden Württemberg. (Die NPD bekam 1968 aus dem Stand 9,8% der Wählerstimmen)

Der Vater des Erzählers war ein richtiger Nazi. »Einer, der den Mord gut fand«, er war nur zu jung gewesen, um selber Täter zu sein. Der Ich-Erzähler dagegen will ein guter Vater sein und nicht ein alkoholabhängiger Scheißvater. Das war im Dorf keine Ausnahme. Bei einem Freund lag ein langes und dickes Kabel über dem Fernseher. Mit dem wurde er verprügelt, wenn er etwas angestellt hatte. »Andere wurden härter geschlagen, ich durfte mich nicht beschweren.«
Der Roman ist erschütternd und düster, er hat mich nachhaltig beeindruckt. Nicht nur wegen des Themas, sondern auch wegen seiner sprachlich gekonnten und stimmigen Umsetzung, wegen der Vielschichtigkeit, wie der Ich-Erzähler immer wieder seine eigenen Beobachtungen reflektiert und weil der Autor schwierige Fragen stellt.
Das Buch, sagt Bov Bjerg im Deutschlandfunk, beschreibe unter anderem, »wie schwer es ist, Kinder so zu erziehen, dass sie nicht für die Kindheit ihrer Eltern büßen müssen«. Keine leichte, aber eine sehr empfehlenswerte Lektüre.