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josfritz Buchhandlung Freiburg
josfritz Buchhandlung Freiburg

Maurizio Fiorino

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Aus dem Italienischen von Christiane Burkhardt
nonsolo Verlag , kartoniert , 144 Seiten

 20.- €

 978-3-947767-11-3

 12.09.2023

K.O.

Archaische Gewalt und patriarchaler Machismo an Stelle von touristischen Klischees wie rauschenden Pinienwäldern, urigen Trattorien und Strandliegen am türkisblauen Ionischen Meer prägen das Süditalien der 1980er Jahre, wie es der 1984 im 2800 Jahre alten Crotone geborene kalabrische Autor und Fotograf Maurizio Fiorino mit staunenswerter Reduktionskunst und schonungsloser Intensität in K.O., seinem vierten Roman, schildert:

Im tristen Weiler Bagnamurata wächst Biagio mit seinem Vater, dem furchterregenden Dorfmetzger, auf. Nach dem frühen Unfalltod seiner Frau teilt sich diese schweigsame Autoritätsfigur nur noch über erratische Wutausbrüche und die symbolische Brutalität seines Schlachtgeschäfts mit – das färbt ab auf seinen Sohn, der ebenso um Worte für den Ausdruck seines unerwünscht komplexen Innenlebens ringt. In einer im ewigen Hochsommer überhitzten Welt, die jeden, der anders ist, zwingt, seine Gefühle auf Minustemperaturen abzukühlen, als wären sie Tierkadaver in der väterlichen Eiskammer, lotet Biagio aus, was für ein Mensch er werden kann. Weder der Boxsport, die Begeisterung für antike Skulpturen – besonders für deren idealisierte Männerkörper – aus der imposanten Vergangenheit Kalabriens als Hotspot von „Magna Graecia“ noch die halbherzige Romanze mit Sara – keine Dorfschönheit – können diesen Erzähler von der Erkenntnis ablenken: Sein Begehren gilt anderen jungen Männern, und dafür ist in Bagnamurata kein Platz.

Ebenso rätselhaft lyrisch wie radikal lakonisch erzählt Fiorino von einem existentiellen Kampf um eine schwule Selbstfindung in den »Bleiernen Jahren« Italiens, die bleierner kaum sein könnten als im Retortendorf Bagnamurata, an dessen Peripherie noch der einst heillos überschwemmte, von allen verlassene Vorgängerweiler als Geisterstadt dräut – wie eine Erinnerung an Freuds Rückkehr des Verdrängten.

Fiorino nimmt weder seinem den Mächten der Geschichte und dem Sog des Milieus ausgesetzten Erzähler noch den anderen Figuren in K.O., vorrangig Personal des kalabrischen Kaffs, ihre fragile Würde – aber er bleibt auch konsequent in der Schlussführung dieser (Anti-)Coming-Out-Geschichte, die den eh arg demolierten Glauben an Fortschrittserzählungen wie die Gleichstellung queerer Menschen überzeugend, zugleich tieftragisch in Frage stellt. Giorgia Meloni könnte einiges lernen von Maurizio Fiorino!

René Freudenthal, Carl-Schurz-Haus