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josfritz Buchhandlung Freiburg
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Michael Chabon

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, Taschenbuch , 496 Seiten

 9.90 €

 978-3-423-13793-5

Die Vereinigung jiddischer Polizisten

Die Idee zu seinem neusten Roman kam Michael Chabon, als er in einem antiquarischen Buchladen einen Reiseführer aus den 50er Jahren entdeckte. Dieser besaß den Titel „Sag es auf Jiddisch“ – nur dass es kein Land gab und gibt, in dem man den Guide benutzen könnte. Also kreierte Chabon, selbst Jude, ein Land für diese Sprache.

Seiner Fiktion zufolge beschlossen die USA 1940 im „Alaska Settlement Plan“, den von den Deutschen verfolgten Juden rund um Sitka einen schmalen, zerklüfteten Landstreifen zur Verfügung zu stellen. Millionen konnten deshalb dem Holocaust entkommen und haben sich als „frozen chosen“ sechzig Jahre lang eine Welt eingerichtet, in der die Mafiosi Schtarker, die Bullern Nos und die Knarren Scholem (Friede) heißen.

„Die Vereinigung jiddischer Polizisten“ bietet dementsprechend nicht nur ein wunderbares Was-Wäre-Wenn-Szenario, sondern ist auch ein Krimi, ein Who-Dunnit im klassischen Sinne: Auf der ersten Seite wird eine Leiche gefunden, auf den letzten Seiten der Mörder enthüllt und dazwischen in klassischer Schwarzer-Serie-Tradition geschossen, entführt, aus verschlossenen Räumen geflohen. Doch wer nun Chandlerschen Minimalismus erwartet, könnte enttäuscht sein. Metaphern-Maniac Chabon bevorzugt das opulente Wortmenue, jede Figur lädt ihn zu gewaltigen Sprachkaskaden ein.

Sein Held, der Schammes (Detective) Meyer Landsmann, „ist ein Händler für Entropie und ein Ungläubiger aus Neigung und von Berufs wegen. Für ihn ist der Himmel Kitsch, Gott ein Wort und die Seele höchstens eine Aufladestation für die eigenen Batterien.“ Er weiß nicht, wen er mehr liebt, den Slivowitz, seinen Tlingit-Halbbruder Berko oder Bina, die Ex.

Letztere tritt als Landsmanns Vorgesetzte in das Romangeschehen ein, um die „Maße für das Totenhemd von Sitka Central“ zu nehmen: Die „Reversion“ steht an, der Judendistrikt fällt zurück an den US-Bundesstaat Alaska, und jeder, der Verwandte irgendwo in der Welt hat, schaut, dass er so schnell wie möglich das Weite sucht. Denn auch Israel ist kein Zufluchtsort, es wurde schon 1948 wieder aufgelöst.

Es sind seltsame Zeiten für Juden, sagt Michael Chabon und der Pulitzerpreisträger („Die unglaublichen Abenteuer von Kavalier und Clay“) meint damit nicht nur in seiner fiktiven Welt. Die jüdische Existenz ist eine, die immer auf der Kippe steht.


Karin Schickinger Journalistin und Autorin

Aus dem Englischen von Andrea Fischer.