Iida Turpeinen
Das Wesen des Lebens
Im Jahr 1741 entdeckt und beschreibt der Naturforscher Georg Wilhelm Steller während der sogenannten Großen Nordischen Expedition im nördlichen Pazifik so manches Tier und manche Pflanze neu. Darunter befindet sich auch ein majestätisch großer, mehrere Tonnen schwerer, aber an sich sehr friedlicher Meeressäuger, der später nach seinem europäischen Entdecker benannt werden wird: die Stellersche Seekuh. Doch die Begegnung mit Steller und der Forschungsgruppe wird der Seekuh zum Verhängnis, denn nur 27 Jahre nach ihrer Entdeckung durch die Europäer wird sie bereits ausgestorben, bzw. besser gesagt: ausgerottet worden sein. Heute sind nur noch drei Skelette des Meeresriesen vollständig erhalten, eines davon im naturgeschichtlichen Museum in Helsinki.
Und genau hier setzt die Handlung in Das Wesen des Lebens ein, dem Debütroman der finnischen Autorin Iida Turpeinen. Als Leser*in folgt man in drei Teilen vordergründig drei sehr ungleichen Männern: dem von Neugier und Forschungsdrang getriebenen Steller, dem um Prestige und Wohlstand bemühten Johan Hampus Furuhjelm, der Mitte des 19. Jahrhunderts Gouverneur in Russisch-Amerika (dem heutigen Alaska) war, und schließlich John Grönvall, einem Ornithologen, Naturschützer und Tierpräparator.
Dabei sind vor allem Steller und Furuhjelm nicht allein; tatkräftige Unterstützung erhalten sie nämlich ausgerechnet von Frauen, die von der Geschichte lange vernachlässigt und im Schatten der Männer unsichtbar bleiben mussten. Indem Turpeinen den Männern (historische wie fiktionale) starke, eigensinnige, intelligente, ja sogar unabhängige, oder zumindest ungebundene Frauen zur Seite stellt, die sich im Bereich der Naturwissenschaft verdient gemacht haben, huldigt sie stellvertretend auch all denjenigen, die noch immer nicht die Anerkennung erfahren haben, die ihnen eigentlich zusteht.
Turpeinen verwebt die historischen Persönlichkeiten und Ereignisse rund um die Stellersche Seekuh zu einem vielschichtigen, poetischen Text, der einen weiten Bogen vom 18. bis ins 21. Jahrhundert spannt. So entsteht ein anspruchsvoller Roman, der trotz der großen Themenvielfalt sehr humorvoll, vorsichtig optimistisch, aber vor allem unglaublich unterhaltsam ist.
Sotirios Kimon Mouzakis
Aus dem Finnischen von Maximilian Murmann
S.Fischer Verlag , gebunden , 320 Seiten
24.- €
978-3-10-397630-4
28.08.2024
Das Wesen des Lebens
Im Jahr 1741 entdeckt und beschreibt der Naturforscher Georg Wilhelm Steller während der sogenannten Großen Nordischen Expedition im nördlichen Pazifik so manches Tier und manche Pflanze neu. Darunter befindet sich auch ein majestätisch großer, mehrere Tonnen schwerer, aber an sich sehr friedlicher Meeressäuger, der später nach seinem europäischen Entdecker benannt werden wird: die Stellersche Seekuh. Doch die Begegnung mit Steller und der Forschungsgruppe wird der Seekuh zum Verhängnis, denn nur 27 Jahre nach ihrer Entdeckung durch die Europäer wird sie bereits ausgestorben, bzw. besser gesagt: ausgerottet worden sein. Heute sind nur noch drei Skelette des Meeresriesen vollständig erhalten, eines davon im naturgeschichtlichen Museum in Helsinki.
Und genau hier setzt die Handlung in Das Wesen des Lebens ein, dem Debütroman der finnischen Autorin Iida Turpeinen. Als Leser*in folgt man in drei Teilen vordergründig drei sehr ungleichen Männern: dem von Neugier und Forschungsdrang getriebenen Steller, dem um Prestige und Wohlstand bemühten Johan Hampus Furuhjelm, der Mitte des 19. Jahrhunderts Gouverneur in Russisch-Amerika (dem heutigen Alaska) war, und schließlich John Grönvall, einem Ornithologen, Naturschützer und Tierpräparator.
Dabei sind vor allem Steller und Furuhjelm nicht allein; tatkräftige Unterstützung erhalten sie nämlich ausgerechnet von Frauen, die von der Geschichte lange vernachlässigt und im Schatten der Männer unsichtbar bleiben mussten. Indem Turpeinen den Männern (historische wie fiktionale) starke, eigensinnige, intelligente, ja sogar unabhängige, oder zumindest ungebundene Frauen zur Seite stellt, die sich im Bereich der Naturwissenschaft verdient gemacht haben, huldigt sie stellvertretend auch all denjenigen, die noch immer nicht die Anerkennung erfahren haben, die ihnen eigentlich zusteht.
Turpeinen verwebt die historischen Persönlichkeiten und Ereignisse rund um die Stellersche Seekuh zu einem vielschichtigen, poetischen Text, der einen weiten Bogen vom 18. bis ins 21. Jahrhundert spannt. So entsteht ein anspruchsvoller Roman, der trotz der großen Themenvielfalt sehr humorvoll, vorsichtig optimistisch, aber vor allem unglaublich unterhaltsam ist.
Sotirios Kimon Mouzakis