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josfritz Buchhandlung Freiburg
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Harry Martinson

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Aus dem Schwedischen von Klaus-Jürgen Liedtke.
Guggolz Verlag , gebunden , 219 Seiten

 22.- €

 978-3-945370-29-2

 10.03.2021

Schwärmer und Schnaken

Harry Martinson ist einer dieser Autoren, bei denen ich mir nicht erklären kann, wie er zum Schriftsteller wurde. 1904 in Südschweden geboren, starb sein Vater früh. Seine Mutter setzte sich nach Amerika ab, woraufhin Harry und seine Geschwister als „Verdingkinder“ bei umliegenden Bauern einquartiert wurden – unter harten Bedingungen, wie Martinson später schrieb. Mit 16 Jahren und einfachster Schulbildung fuhr er als Heizer zur See, und als er einige Jahre später nach Schweden zurückkehrte, hatte er auf den Weltmeeren das Schreiben gelernt. Der poetische, beschreibungsstarke Geschichtenerzähler war schon in den ersten veröffentlichten Texten zu erkennen, Martinson hatte eine unverwechselbare Sprache gefunden. Schwärmer und Schnaken umfasst eine Auswahl aus seinen „Naturessays“, Texten über die Natur und über das Verhältnis der Umwelt zu uns Menschen, die Martinson in den späten 1930er-Jahren geschrieben hatte und die in Schweden bis heute beliebt sind – und nun endlich auf Deutsch in der Übersetzung von Klaus-Jürgen Liedtke gelesen werden können. Solche eindrücklichen Beschreibungen von schwärmenden Käfern, lärmenden Wasservögeln, Fichten im Sturm, abgeblühtem Mohn, dem Geruch des Waldbodens und dem Licht des Winterschnees sind mir nie zuvor begegnet, nur der 1974 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnete Harry Martinson konnte so wild philosophisch und mitreißend sinnlich zugleich schreiben.

Martinson ist geradezu ein idealer Autor für meinen Verlag. Seit 2014 verlege ich vier bis fünf Bücher pro Jahr (31 Bücher sind mittlerweile erschienen), vergessene, unbekannte und neu übersetzte Klassiker aus Nord- und Osteuropa; Autoren und Autorinnen, die in ihren Heimatländern beliebt, Schullektüre und auf Geldscheine und Briefmarken gedruckt, hierzulande aber vergessen oder nie bekannt geworden sind. Bevorzugt aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, manchmal bis in die zweite hineinreichend. Martinson war in den 60er-Jahren in Europa viel gelesen, wie auch der Nobelpreis zeigt. Und trotzdem kennt ihn außerhalb Schwedens kaum jemand noch, in den Antiquariaten muss man lange wühlen, um alte Ausgaben mit angebräunten Seiten zu finden. Dabei ist in seinen autobiografischen Romanen, Gedichten und zauberhaften Naturessays so viel Wunderbares aufzuspüren, das uns auch heute noch tief beglücken kann.

Es ist nie zu spät ist, gute Literatur zu entdecken. Man sollte nur schleunigst damit anfangen ...!

Sebastian Guggolz