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josfritz Buchhandlung Freiburg
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Max Czollek

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Hanser Verlag , gebunden , 208 Seiten

 18.- €

 978-3-446-26027-6

 6.Auflage 2019

Desintegriert euch!

Kurzweilig schreibt Czollek ein Werk, das auf den ersten Blick provozierend wirkt; für einen Teil seiner Leserschaft, den nicht jüdischen vermutlich. Es geht um die unterschiedliche Art, Realitäten wahrzunehmen. »Hierzulande herrschen seltsame Regeln«, so Czollek. Es geht um die Rolle jüdischer Menschen als Statisten in einem Theater der Erinnerung ohne Substanz, um den gefährlichen Begriff der Leitkultur und den zwanghaften Versuch, diesen zu etablieren.

Kurzweilig zwar geschrieben und gut zu lesen, aber doch schwer von Inhalt, ist es weniger eine Provokation, als eine eindringliche Warnung vor einem sozialen Wandel, der die Gesellschaft vehement nach rechts treibt. Eine Gesellschaft, die sich offenbar leicht und nicht immer ungern treiben lässt.

Diesen Prozess beschreibt Czollek in einer fast schon fulminanten soziologischen Analyse des Versuchs, die Shoa in der deutschen Gesellschaft aufzuarbeiten. Dies scheint rudimentär bis gar nicht gelungen; die Gründe benennt er.
Czollek plädiert, appelliert, argumentiert in aller Eindringlichkeit für den Austausch von Schein gegen Erkenntnis. Das völkische Denken erlebt eine Renaissance, die sich keineswegs nur auf die rechten Parteien beschränkt. Völkisches Denken, als die größte Gefahr für eine Gesellschaft, erneut in die Mythen nationalsozialistischen Denkens abzugleiten. Ein hilfreiches Mittel dagegen: das Ertragen eines Blickes auf die Gesellschaft von außen, vom Rand, von den Minderheiten her. Dieser Blick könnte sich entscheidend auf die realen Schwachstellen richten, fokussiert und eindringlich, aber den Weg öffnend für das gemeinsame Ziel: Demokratie zu erhalten.

Desintegriert euch! ist ein Appell, Diversität als erfolgreiches Instrument der Demokratie zu etablieren, nicht Leitkulturen und falsche Rücksichtnahmen aus Angst, die Hitlerei könnte wieder übernehmen. Diversität als DAS Mittel dagegen. Gesellschaftliche Gleichstellung auch und gerade der Minderheiten garantiert die demokratische Basis. Der Streit darüber, wie man den sozialen Wandel wieder in eine andere Richtung bewegen kann, ist die Methode.

Sylvia Schliebe, Sozialarbeiterin und im Vorstand der Liberalen Jüdischen Gemeinde Chawurah Gescher Freiburg

jos fritz Büchertisch am Limmud-Tag