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josfritz Buchhandlung Freiburg
josfritz Buchhandlung Freiburg

Sigrid Nunez

cover

Aus dem amerikanischen Englisch von Anette Grube
Aufbau Verlag , gebunden , 235 Seiten

 20.- €

 978-3-351-03486-3

 03.2020

Der Freund

Es liegt wirklich kein Etikettenschwindel vor, wenn ein Buch Der Freund heißt – und auf dem freundlich farbigen Umschlag sitzt eine schwarzweiße Dogge. Allerdings ist diese Dogge nicht DER Freund. Und sie ist gefühlt viel größer als auf dem Buchumschlag. In dem nur 233 Seiten schlanken Roman nimmt dieser Hund allein schon durch seine schiere Größe viel Raum ein. Der Freund auch. Er hat sich das Leben genommen, der lang Vertraute, und die ich-erzählende Schriftstellerin mäandert in Gedanken um den Tod und das Leben dieses Freundes, durch gemeinsam Erlebtes und nicht-Gelebtes, gemeinsam bedachte Thesen und Themen. Sie ist erinnernde Trauernde, aber auch ganz lehrende Literatin - und schreibende Beobachterin – für ihre ausstehende Veröffentlichung jedoch ist sie schreibblockiert. Dass in der Trostlosigkeit der Trauer der riesige Hund eine gleichfalls riesige Rolle einnimmt, dass auch er trauert, lässt schon der Klappentext ahnen. Wer nun also kein Hundemensch ist, greift möglicherweise gar nicht nach diesem Buch. Ein Fehler. Denn die sehr bewegliche, gedankliche Begegnung mit Leben und Tod und Trauer braucht in dieser Erzählung ganz einfach Apollo, diesen ungetümen Findelhund des Freundes.
Nach dem Tod seines Herrchens wird Apollo der ich-erzählenden Katzenfreundin ungebeten zum Begleiter, stellt mit seiner raumgreifenden Statur erinnernde Nähe her zum Freund - und gewinnt selber so viel Gegenwart und so viel Bedeutung, dass tatsächlich auch er irgendwann Freund ist. Es ist ganz großes Kino, wie Sigrid Nunez in ihrem Roman nicht etwa die schalen Klischees der Hund-oder-Katze-Frage bespielt, sondern dieses Riesenwesen vom ersten Moment an freundlich aufnimmt in eine Geschichte, die wie ihre Hauptakteurin, die trauernde Schriftstellerin, vor Sprunghaftigkeit strotzt und doch Stringenz beherrscht. So entfaltet sich im Lesen dieses feine flüchtige Gewebe, das gelebtes Leben ist. Literatur findet darin statt und Alltag, Beziehung, Begehren, Irrtümer und Gelingen, kleine und große Fragen, philosophisch ausgelotet, pragmatisch gelöst – nie ausschweifend, nie redselig.
Akademische Lüste, im Hörsaal und darüber hinaus: Da ist eine stillvergnügte, eigenwillige Belesenheit, kluges Nachdenken und immer wieder der reflektierte Blick zurück, den man gerne mitliest. Und dann ist da Apollo, der große Hund. Der trauert zunächst ausdauernd in sich gekehrt. Seiner neuen Begleiterin ist das nicht fremd. In ihrer winzigen Wohnung teilt sie großherzig mit ihm den spärlichen Raum und diese uferlose Trauer. In ihrem Beschreiben der betrübten Gegenwart ist Milde, der Erinnerung tut auch Ironie gut. Wie sie da den Freund Revue passieren lässt, das erlaubt ihr ein kühles Urteil über seine schüttere Verlässlichkeit in seinen drei Ehen – und auch in dem Hauch einer Affäre, die sie beide verband. Entstanden ist daraus Freundschaft. Lange tiefe Verbundenheit. Und um die trauert sie – ähnlich eingenommen von Trostlosigkeit wie die ungetüme Dogge. Und genau das tröstet. Ein schönes, kluges Buch. Keinesfalls nur für Hundefreunde.

Julia Littmann, Journalistin