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josfritz Buchhandlung Freiburg
josfritz Buchhandlung Freiburg

Andrea Abreu

cover

Aus dem Spanischen von Christiane Quandt
Kiepenheuer & Witsch , gebunden , 192 Seiten

 20.- €

 978-3-462-00175-4

 07.07.2022

So forsch, so furchtlos

»Wie eine Katze. Isora kotzte wie eine Katze. Uckuckuck, und die Kotze platschte ins Klo, um vom unermesslichen Untergrund der Insel aufgenommen zu werden« – so beginnt Andrea Abreus Debüt So forsch, so furchtlos. Der Titel ist Programm, und zum Eingewöhnen gibt es keine Zeit. Vom ersten Wort an sind wir im Kopf, auf der Zunge und Klitoris der jugendlichen Ich-Erzählerin Sis. Wir lesen drei Monate Sommerferien auf Teneriffa – aber nicht aus der Sicht von Urlauber*innen – denn Sis lebt oben im Norden der Insel, weit weg vom Meer und »den widerlichen Touris«.

Ihren Alltag verbringt Sis mit ihrer besten Freundin Isora. Diese ist alles für sie: »Ich wollte sie umarmen, spüren, wie ihre Eingeweide die Milch mit Gofio im Inneren ihres Körpers umrührten, wie ein Betonmischer mit Volldampf.«

Sis und Isora träumen von einem BMW, der sie zum Strand bringt, und spielen Szenen aus den Telenovelas nach, die ihre Omas schauen. Die Freundinnen teilen alles. Gemeinsam erkunden sie ihre Körperflüssigkeiten, verstecken sich in Höhlen, sitzen ihre Langeweile und die Hitze mit den Barbies in ihren Vorgärten ab und essen »Kartoffeln mit wässriger Soße«.

Abreus Beschreibungen sind ungefilterte und ungeschönte Phan­ta­siegebilde, die atemlos, oft ohne Punkt und Komma, geteilt werden. Das Buch erzählt von unzähligen Hormonexplosionen, die eigentlich so gar nicht für Beobachtende gedacht sind. Oft trifft es völlig unerwartet einen Nerv. Dann kitzelt es beim Lesen Ekel, Scham, Mitgefühl und auch Voyeurismus hervor. Die Gefühle, die sich ungebremst im Körper der Protagonistin breitmachen, übertragen sich beim Lesen.

Der Roman ist aufgeteilt in kurze Kapitel, und stellenweise lösen die einzelnen Sequenzen lautes Lachen aus; teilweise sind die Ereignisse so stürmisch oder mit mikroskopischer Genauigkeit beschrieben, dass das Lesen einem in flagranti-Erlebnis gleicht.

So forsch, so furchtlos gleicht einem „Volcan“, der unter steigendem Druck die Erzählung erzittern lässt. Denn das Buch ist so ernst und vielschichtig, wie das Leben einer Heranwachsenden selbst. Die kindliche Naivität und das Rumalbern vermischen sich mit den Unsicherheiten und Verletzungen einer Pubertierenden, welche sich nicht vermeiden lassen, wenn das Erwachsenwerden bereits ausbricht.

Oliwia Hälterlein