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josfritz Buchhandlung Freiburg
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Etel Adnan

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Herausgegeben von Klaudi Ruschkowski und Hanna Mittelstädt
Edition Nautilus , kartoniert , 560 Seiten

 38.- €

 978-3-96054-212-4

 16.09.2019

Sturm ohne Wind

Gedichte, Prosa, Essays, Gespräche

„Ich weiß, was es heißt, ein Araber zu sein: Stolz, ohne Grund. Erniedrigt, ohne Grund.“

Vielleicht sollte man, spricht man von der enormen Schaffenskraft dieser singulären Künstlerin, mehr über ihre Hände und ihr (Alters-)Gesicht sprechen. Hand und Gesicht sind wahrnehmbar auf Bauern-Märkten. Es sind die Insignien lebenslanger Hand- und Körperarbeit. Wie immer, wenn man sich dem originären Kosmos (der ja unser aller Kosmos sein will) von Etel Adnan hinwendet, geht es um Licht, Epiphanie, Schönheit, Hass, Freude und eine Art Tremendum. Der Einfachheit halber könnte man auch sagen: Etel Adnan atmet einen Riss aus.

In ihrer Malerei geht es um Schönheit und Licht, meist gesetzt mit wunderbaren Farbklängen, einfach zueinander gestellten Formen im Assoziationsbereich landschaftlicher Erscheinungen. Ihre Zeichnungen sind spontan formulierte Notate, flüchtig ohne Flucht, Aneinanderreihungen von Bewegungen, nicht selten in Leporelloform. Zeichnung und Malerei leben von ihren musikalischen Quellen, dem poetologischen Anschauen und Sehen und sind tiefverwurzelt in der islamischen Kultur. Malerei ist Schrift, Schrift ist Malerei.

Das wird besonders deutlich, wenn Etel Adnan sich Tapisserien und der Kunst der Teppichweberei zuwendet. Sie spricht darüber mit großer Hingabe. Überhaupt ist der Teppich ein Schlüssel zum Verständnis ihrer vielen Arbeitsfelder, die alle von Poesie durchdrängt sind. Der Raum, der durch ihr permanentes Pflügen und Graben entsteht, ist einer der Verbindung und Verknüpfung. Auch des Immateriellen: der Luft und des Lichts.

Etel Adnan wird im Kulturbetrieb mit unzähligen Etiketten belegt, dabei ist vielleicht „nur“ wesentlich, dass sie, biografisch gesehen, aus einem Libanesisch-Amerikanischen Kontext schöpft. Diese Widersprüchlichkeit ist wie eine Wunde und macht sie empfänglich für die Welt, an der sie, mittels ihrer ungeheuren Fähigkeiten, nicht zerbricht.

Das Buch Sturm ohne Wind legt Zeugnis ab mit seiner Fülle und seinem Detailreichtum. Liest man in diesem Buch, kann es gut sein, dass man es nicht mehr aus der Hand legen will. Oder eben immer bei sich tragen.
Es ist ja eine zum Klischee heruntergeredete Tatsache, dass Lesen verändert. Hier trifft es vollständig zu. Ob man will oder nicht. Ein wunderbares Kopfkissenbuch für die kommenden Tage und Monate.

 

Harald Herrmann, Künstler